Transaktion Transaktion (2003)

Text: Mathias Neuber
Regie: Mathias Neuber

Neun Menschen, zufällig zur selben Zeit am selben Ort, einer Berliner Sparkasse, geraten in die Gewalt einer unsichtbaren Macht … Die Geiseln, mit der Forderung konfrontiert, zur Beschleunigung einer „Transaktion“ einen aus ihrer Mitte zu töten, sehen sich in einer ausweglosen Situation. Sie wehren sich. Das Ende jedoch steht fest von Anfang an: Einer wird sterben.

Was wie ein schlechter amerikanischer Krimi klingt, ist auch einer. Oder doch eine besonders abgefeimte Reality-Show?

 

Ensemble und Besetzung

Regie: Mathias Neuber
Darsteller:
Elke Noack, Julia Rau, Wenke Krestin, Alicia Kuhlmann, Gregor Torinus, Sandra Barthold, Jörg Huber, Linda Boswank, Benjamin Hantschke, Janett Bielau

Bühnenbild und Technik: Arne Buß, Robert Nickel

Premiere war am 3. Juni 2003

 

Über das neue Stück des Studentenwerktheaters „bühne 8“

Transaktion Transaktion

„Transaktion Transaktion“ heißt das neue Stück des Studentenwerktheaters „bühne 8“, das jetzt Premiere hatte. Der Ort der Transaktion ist eine Sparkasse, in der auch die neun Hauptdarsteller ihre eigenen Transaktionen (Überweisungen etc.) abwickeln wollen. Doch es soll dabei nicht bleiben.

Die Türen der Bank öffnen sich nicht, das Telefon versagt, nicht einmal die Handys funktionieren mehr. Doch die Sparkassenkunden sind nicht ganz auf sich gestellt. Eine nette Stimme der „Flugeinsatzleitung“ meldet sich über einen Lautsprecher und verkündet den Akteuren ihr Schicksal: „Sie sind Teil einer Transaktion!“ Ebenfalls Teil der Transaktion so11 es sein, einen Menschen zu erschießen. Eine der neun Geiseln soll sterben. Wer, das dürfen die Akteure selbst bestimmen. Wenn sie es nicht tun, werden alle sterben. Metaphorisch wird der abgeschlossene kamerabeobachtete Raum als Spaceshuttle bezeichnet. Ein Bild, das noch durch einen Vorhang unterstützt wird, der die Zuschauer von den Protagonisten trennt und als Hintergrund für die Videoszenen dient. Der Rahmen für das nun folgende Drama ist gesteckt. In einer Situation, in der die normalen Spielregeln der Gesellschaft außer Kraft gesetzt sind, wird jeder mit seiner eigenen Rolle konfrontiert. Die Akteure sind gezwungen, ihre Rollen zu spielen. Doch was wissen sie wirklich, können ihnen ihre Rollen weiterhelfen?

Neun verschiedene Charaktere, neun verschiedene Menschen, neun verschiedene Lösungsansätze. Wird das Recht des Stärkeren gewinnen, so dass der stirbt, der auch sonst immer verliert? Wie könnte es eine Einigung geben, sollen sie einen Anführer wählen? Oder können sie einfach ihre Augen schließen und abhauen? Die mitgebrachten Verhaltensmuster scheitern. Es entsteht eine Situation, in der es unabdingbar ist, zu kommunizieren. Nur geschieht dies nicht. Jeder behauptet seine Rolle, erklärt sein Schicksal, sieht nur seinen eigenen Horizont. Die Beobachtung durch die Kamera, aber auch durch die Zuschauer hinter dem Vorhang erzeugt eine eigene Realität, eine „Medienrealität“. In kurzen Zwischenszenen, die von dieser »Medienrealität“ getrennt sind, werden die nicht hörbaren, unterbewussten Dialoge erfahrbar. Hier gibt es ein Zusammen, ein artikuliertes Bedürfnis nach Nähe, nach Menschlichsein. Doch in der Sparkasse bleibt davon nicht viel übrig, denn das Unterbewusste tritt nie ohne Angst zutage. Und mit der Angst kommt die Aggression, die Überreaktion. Das Zusammenbrechen der gewohnten Rollen geht mit einem sichtbaren Verlust der Moral, mit einem fast triebhaften Drang zum Überleben einher. Der Drang zur Macht, zur Kontrolle, symbolisiert durch die geladene Waffe, beherrscht das Handeln der Protagonisten. So muss auch das Ergebnis dieser Bemühungen ein Versagen der Menschlichkeit sein. Die Rollen haben gesiegt, der Mensch bleibt auf der Strecke. „Transaktion, Transaktion“ entstand aus einer Improvisation der Schauspieler, auf deren Grundlage Mathias Neuber, der auch Regie führte, dieses Stück geschrieben hat. Somit ist jede Rolle den Darstellern auf den Leib geschrieben, was sich ein Grund für die beklemmende Authentizität des Schauspiels ist. Beklemmend wirkt es aber sicher auch durch den kleinen Raum der bühne 8, der sich in den fast zwei Stunden in eine wahre Sauna verwandelte. Selten wurde in einem Stück mitgefiebert, selten wirkte der Schlussakt so erlösend. Und doch blieben einige Fragen im Raum: Was war das jetzt eigentlich? Was wollten die „Entführer“ oder war es keine Entführung? Was ist das Ergebnis der Transaktion? Das Stück führt dem Zuschauer unsere „Medienrealität“ vor Augen. Wir können nun selbst entscheiden ob wir in ihr leben wollen, oder nicht.
– Diemo Kemmesies

 

Bilder