Dusa, Stasi, Lil und Fisch (2013)

– ein Schauspiel von Pam Gems –

Dusa – könnte jedes Jahr ein Kind kriegen; Stasi – klaut und schafft an; Lil – isst ein bisschen wenig; Fisch – ist wahnsinnig in Philipp verliebt. Pam Gems nennt ihr Stück über das Zusammenleben dieser vier unterschiedlichen Frauen eine Komödie, die – tragisch endet.

Was dürfen wir voneinander wissen? Wie weit dürfen wir uns aufeinander einlassen – damit wir noch Kraft behalten für unser eigenes Leben?

 

Ensemble und Besetzung

Besetzung:
Karoline Leder spielt Fisch
Elisa Marquardt spielt Dusa
Ypsi Ciupack spielt Lil
Claudia Ludwig spielt Stasi

Technik: Martin Mendiburu
Requisite: Ariane Knittel
Souffleur: Philipp Hoffmeister
Regie: Mathias Neuber

Premiere war am 06.04.2013

 

Kritik auf Blicklicht 07/13 von Christiane Freitag

Gesehen: Dusa, Stasi, Lil und Fisch

Anorexie, typische Geschlechterrollen, unerwiderte Liebe, Kindesentführung, Geschlechter(-un- )gleicheit, dominierende Männer, Scheidung, die unaufhörlich tickende, biologische Uhr, Versagensängste, (unerfüllter) Kinderwunsch, Angst vor dem Alleinsein, Lebenskünstler­innen, Prostitution als einzige Chance…

… ganz schön viele Probleme auf einmal und dann auch noch in einem Stück: „Dusa, Stasi, Lil & Fisch“ (Originaltitel: zunächst „Dead Fish“, dann „Dusa, Fish, Stas and Vi“) heißt es, ist geschrieben von der britischen Bühnenautorin Pam Gems, erstmals 1976 in London aufgeführt und seit April an der BÜHNE acht zu sehen (Regie: Matthias Neuber). In selbiger nimmt man dazu mitten in der typisch weiblich gestalteten WG der vier Protagonistinnen Dusa (Elisa Marquardt), Stasi (hier als Kurzform von Nastasia; Claudia Ludwig), Lil (Ypsi Cuipack) & Fisch (Karoline Leder) und ihrer Probleme Platz – mittendrin statt nur dabei lautet hier also die Devise: Alle vier kämpfen mit ganz eigenen Sorgen und Ängsten. Dusa ist frisch geschieden, ihr Mann hat die gemeinsamen Kinder entführt, Stasi arbeitet als „Masseuse mit gewissen Extras“ um sich ein Meeres­biologiestudium auf Hawaii zu finanzieren, Lil hat ein Essproblem und Fisch wirkt äußerlich zwar sehr stark, setzt sich für Frauenrechte ein, ist innerlich aber verletzlich und von Liebeskummer gelähmt. Im Verlauf spitzen sich die Schicksale zu, lösen sich auf, bis allerdings eines davon tragisch endet. Bis es jedoch dazu kommt, geht es aller Widrigkeiten zum Trotz größtenteils recht lustig zu. Intime Frauengespräche, laute Musik, Tanzorgien oder ein gemeinsamer Filmabend, immer alles mit einem Augenzwinkern, immer wieder unterbrochen von tiefgründig-nachdenklichen Mono- und Dialogen, die die ganze Vulnerabilität der Frauen offenlegen, zeigen wie es innen drinnen aussieht, hinter der starken Fassade. Die vier Darstellerinnen geben dabei ihren Rollen, jeweils sehr ausdrucksstark, ihren ganz eigenen Charakter und Charme. So sehr, dass man irgendwann gar nicht mehr anders kann, als die vier einfach von Grund auf ehrlich sympathisch und liebenswert zu finden. Viel ist es zwar nicht, das man über die Figuren herausfindet, das was man jedoch erfährt ist intensiv, authentisch, glaubhaft und vor allem mitreißend gespielt. Man lacht mit ihnen, weint mit ihnen, hat mit ihnen Angst und freut sich mit ihnen – und vor allem würde man in einer der Szenen am liebsten aufstehen und mittanzen. Nicht zuletzt ist das wohl der Platzierung quasi inmitten des Geschehens geschuldet, die diese Inszenierung zu einer ganz besonderen macht. Mit Dusa, Stasi, Lil & Fisch ist der BÜHNE acht ein Stück gelungen, das unbedingt sehenswert ist. Ein Stück, das man mit den Figuren erlebt und durchlebt. Einfach toll.
Von Christiane Freitag
Blicklicht 07/13

 

Kritik auf Glueck bloggt von Felicitas Glück

Dusa, Stasi, Lil und Fisch

Als Pam Gems am 13. Mai 2011 85-jährig starb, war sie für den Telegraph „bekannt als feministische Autorin“, welche – Hausfrau und Mutter von vier Kindern – versucht habe zu beschreiben, wie es sich als Frau in einer Männerwelt lebe.

Und über ihren ersten großen Erfolg „Dusa, Stasi, Lil und Fisch“, der 1976 auf dem Edinburgh Festival Aufsehen erregte: Das Stück behandle die Schwierigkeiten von 4 unzufriedenen, angeblich befreiten Frauen aus der Mittelschicht, die deshalb in einem Frauenhaushalt leben, weil – 1976 – ein Singleben eine Frau zu einem Bürger zweiter Klasse mache.
Diese vier – eine politische Aktivistin, eine ehemalige Kunststudentin und nun Mutter zweier Kinder, eine Krankenschwester, die Medizin unbedingt in Hawaii studieren will und dafür anschaffen geht, und die arbeitslose und magersüchtige Lil (von Gems 20 Jahre später als „new age hippie“ bezeichnet) weichen ab, und so ist denn auch der letzte Satz des Stückes, nachdem eine von ihnen freiwillig aus dem Leben gegangen ist: Wir sind nicht, wie sie uns haben wollen.
Was macht nun eine Inszenierung im Jahre 2013 damit? Die feministische Bewegung hat, wenn auch längst nicht alles, so doch einiges erreicht, und ein Single-Leben, erst recht das Leben in einer WG, ist inzwischen die Normalität. Sie bietet erst einmal pralles Leben. Bis (fast) zum Schlusssatz wird hier gesagt: Wir sind, wie ihr uns kennt. Wir sind, wie ihr uns – in einem unterhaltsamen Stück – haben wollt. Und unterhaltsam ist es. Gems, die ihr tragisch endendes Stück eine Komödie nennt, ist eine Meisterin subtiler, mitunter auch forcierter Komik, die die Regie (Mathias Neuber) kräftig ausspielen lässt.
Ich war in der zweiten Vorstellung. Die BÜHNE acht ist ein kleines Theater im Keller eines Kulturgebäudes auf dem Cottbuser Wohncampus – in diesem Fall vollkommen umgebildet zur Wohnung der Frauen. Man betritt den Raum über den WG-Korridor, nimmt Platz auf einer Tribüne zwischen Wohnzimmer und Küche. Und noch haben längst nicht alle Zuschauer Platz genommen als sich Lil (Ypsi Ciupack) in der Küche einen Tee kocht und dann – vis a vis dem nun zahlreicher aus der Bar herüberkommenden Publikum – auf einer Art Altar Platz nimmt. In ihre Yoga-Übungen hinein platzt Dusa (Elisa Marquardt), die früher hier gewohnt hat, und nun, nach ihrer Scheidung wieder einzieht. Und in dem nun einsetzenden ersten Zickenkrieg wird deutlich, was wir zu gewärtigen haben: Das ganz normale Leben, das für den überwiegenden Teil des Publikums (wir sind auf dem Campus) wohl durchaus auch ein WG-Leben sein wird. Dass es nicht an der Oberfläche bleibt, dass die Figuren immer wieder geerdet werden, und wir dann Gelegenheit erhalten, hinter den Fassaden, hinter dem forciert munteren, witzigen, skurrilen, nervigen Umgang der vier miteinander die Hintergründe, die wirkliche Individualität der Frauen zu entdecken, liegt an der Hingabe mit der die vier Schauspielerinnen ihren Figuren Leben vermitteln – außer den genannten Claudia Ludwig als pragmatisch-resolute Stasi und Karoline Leder als zwischen politischer Arbeit und aussichtsloser Liebe hin und her gerissene Fisch. Besonders ihr gelingen tiefe Momente, die auf das – unter der turbulenten Oberfläche lauernde – Alleingelassensein aller vier Frauen verweisen. Ist damit die politische Dimension, die das Stück in den siebziger Jahren hatte, wieder erreicht? Von einem emanzipatorischen Anspruch der Inszenierung kann man sicher nicht sprechen – von einer durch genaues Ausloten von Situationen erreichte lebendige und kritische Bestandsaufnahme (durchaus auch) studentischen Alltags sicherlich. Und so gab es denn langanhaltenden Beifall für einen witzigen, berührenden und – in den unsentimental und forciert gespielten Schlussbildern, in denen Komik und Tragik noch einmal eng beieinander lagen – sehr beklemmenden Theaterabend.
Von Felicitas Glück
Glueck bloggt