Vineta (2009)

von Jura Soyfer

Die Bewohner von Vineta, einer versunkenen Stadt in der Ostsee, sind aus der Zeit gefallen. Sie können sich an nichts erinnern. Sie führen Kriege und treiben virtuellen Handel, aber sich selbst und ihren Anspruch an das Leben haben sie vergessen. Gefühle sind ihnen fremd, Gewissen haben sie keins, ihre Existenzform ist die Lethargie. Wird Jonny, der auf einem Tauchgang verunglückte und hierher verschlagene Seemann, einer von ihnen werden? – Der österreichische Autor Jura Soyfer, im Alter von 27 Jahren im Konzentrationslager Buchenwald an Typhus verstorben, warnte 1937 mit seinem Stück, das die Sage von Vineta aufgreift, vor der sich abzeichnenden großen Barbarei.

 

Ensemble und Besetzung

Besetzung:
Alberto Sanhueza / Patrick Niegsch (Der mürrische Senator/ Der Stadtwächter/Ein Soldat/Ein Bettler/ Ein Gefangener)
Angelika Press (Änne, Wirtin einer Hafenschenke/ Frau des fröhlichen Senators)
Holger Püschel (Der fröhliche Senator)
Mathias Neuber (Jonny, ein alter Matrose)
Nancy Arnold (Kathrin, eine Prostituierte/ Lilie, Tochter des fröhlichen Senators)
Torsten Dubrow (Der Stadtschreiber)
Ursula Klaus (Eine Dame/Eine Bettlerin/Ein Gefängniswärter)
Jojo Lißner (Klavierspieler)

Technik: Jojo Lißner
Maske: Ramona Mittig / Kristin Doneth / Bianca Strauch
Regie: Volkmar Weitze

Text: Jura Soyfer

Premiere war am 6. März 2009

 

Kritik im Blicklicht 12/2010

Pressebericht

Und wieder ein Stück, das ich so lange ansehen wollte.Schon im März 2009 hatte es Premiere am StudentenWerkTheater BÜHNEacht. – Habt Ihr schon von Vineta gehört, der versunkenen Stadt? Es ist eine Legende mit einem bisschen Atlantis, ande- rerseits auch Babel oder Sodom und Gomorrha. Der Ort des sagenhaften Geschehens, bei dem Vineta in einem Sturmhochwasser sank, liegt in der Ostsee.

Wegen des moralischen Verfalls der Stadt, Hochmut und Ver- schwendung wurde sie vom Meer verschlungen. Hätte heute eine Naturgewalt diese Macht, wäre schnell nur noch Wasser auf der Erde, so aber erledigen wir dies langsamer selbst. In der BÜHNEacht beginnt das Stück (Buch: Jura Soyfer, Regie: Volkmar Weitze) in einer Hafenkneipe. Jonny, ein alter Matrose, schon lange ohne Heuer, gibt immer wieder das gleiche Seemannsgarn zum Besten, um an sein Bier zu kommen. Änne, die Wirtin, Kathrin, ein leichtes Mädchen und andere Stammgäste können die Geschichten schon nicht mehr hören. Doch diesmal sind wir ja da. Und so nimmt uns Jonny mit in den Büh- nenbereich des kleinen Theaters und in sein Erlebnis „Vineta“.Sein Schiff war gesunken, doch er lebte, musste wohl an Land gespült worden sein, mitten in eine Stadt.

Die Bewohner dort – hm, sind etwas seltsam. Irgendwie kom- men sie mit der Zeit nicht klar. Schiffe werden gestern fahren und übermorgen bedeutet nicht mehr als gerade oder vorgestern. Doch Seemann Jonny ist pragmatisch und Schlimmeres gewöhnt, ignoriert das Unlogische und Seltsame und meint, das Beste daraus zu machen. Immerhin ist da einer, der etwas zu wissen scheint, der Stadtschreiber. Allerdings rückt der mit seinem Wissen nicht wirklich heraus. Immer nur soweit, dass es reicht, Jonny bei Laune und in Vineta zu halten. Inmitten all der nahezu Leblosen, deren Tage und Handlungen sich immer wiederholen und an die sie sich nicht erinnern können, baut sich Jonny seine eigene Position auf. Hei- ratet gar und wird zum angesehenen Bürger. Bis der Stadtschreiber ihm doch den entscheidenden Hinweis gibt, als Jonny freudestrahlend von seinem neuesten Plan berichtet: ´Jonny, das hast Du mir auch gestern schon gesagt und am Tag davor und auch vor diesem.´ Doch noch ist Jonny kein Vineter, kein seelenloser Ein- wohner der Stadt ohne Vergangenheit, Zukunft, ohne Hoffnung. Er erkennt und spricht aus, was der Stadt- schreiber die ganze Zeit nicht sagen wollte: „Vineta ist tot.“ Für Jonny ist es der Weg zurück ins Leben. Und für uns Besucher ein erneut ganz besonderes Erlebnis. Dieser BÜHNEacht gebührt Beachtung und große Anerkennung. Vielen Dank an Nancy Arnold, Patrick Niegsch, Holger Püschel, Ursula Klaus, Ange- lika Press, Mathias Neuber, Jojo Lißner an Klavier und Technik und an Bianca Strauch die an diesem Abend die leblosen Masken lieferte.

 

Bilder